19. 05. 2013   ...Wir überqueren einige Male die offizielle mit Jeep befahrbare Erd- und Schotterstraße von Phaplu nach Basa, die aber oft von Erdrutschen verschüttet oder zu sehr aufgeweicht ist. Irgendwann einmal soll es möglich sein, an einem langen Tag von Kathmandu nach Basa zu fahren. Mitten im Wald kommen wir an einem Sägewerk vorbei, es besteht aus einem Gerüst, auf dem von 2 Nepalesen mit einer riesigen Schrotsäge sehr akkurat Bretter und Balken aus dicken Baumstämmen geschnitten werden. Daneben ein kleines offenes Kochfeuer und ein kleines offenes Zeltdach gegen Regen. Fern im Norden sehen wir einen gewaltigen weißen Schneeberg, den Numbur oder Shorong Yul Lha (6959 m).

Nach 810 Höhenmetern erreichen wir den Pass in 3324 m Höhe und besuchen dort eine kleine einfache Gastwirtschaft, einen Teastall, trinken Tee und knabbern unsere mitgebrachten Kekse. Wir begegnen am Feuer dem Lehrer des Sherpa-Dorfes Ghumne, das wir als nächstes durchqueren. Alles ist jetzt weiß und in Wolken verhüllt, keine Sicht mehr, es bleibt auch so bis zum Ziel, aber heute gibt es keinen Regen. Ghumne liegt auf einer grünen Hochalm und ist ein modernes Dorf mit großen mehrstöckigen neuen Häusern und hellblauen Metalldächern, man sieht, dass es den Sherpa mittlerweile sehr gut geht. Oberhalb befindet sich eine große Gompa, ein Kloster. Danach durchschreiten wir einen hohen grünen Wald, der kürzlich mit dem Feuer zu kämpfen hatte. Weiter geht es ohne Unterlass auf einem grünen Berghang und zwischen Getreidefeldern auf kleinen Pfaden nach unten. Im vor uns liegenden tiefen Tal rauscht der Fluss Dudh Koshi Nadi, Milchfluss, der am Ngozumba Gletscher im Everestgebiet bei Gokyo entspringt.

Schließlich erreichen wir kurz vor 14 Uhr erschöpft die ersten Häuser unseres Zielortes Basa, in den Karten meist Majhgaon genannt (ca. 1800 m). Nördlich davon liegt mit Damku ein größerer Marktort in der Nähe. Der kahle Hang über dem Dorf ist jetzt bepflanzt mit unzähligen jungen Bäumchen, dieses Projekt wird von Franzosen gesponsert. Dann erreichen wir den neuen Schulkomplex, der durch Spenden unserer Agentur (5% des Gewinns wird an die Schule weitergeleitet) und durch Touristen-spenden gut in Schuss ist. Wir werden herzlich von Sanga Rais Frau, der Direktorin begrüßt. Ihr Baby liegt in einer Wiege im Unterrichtsraum und wird von den Schülerinnen der 5. Klasse mit betreut. Im Lehrerzimmer gibt es sogar einige Computer-Lernplätze. Im südlichen Nebental im Ort Sombare, das bedeutet Montagsmarkt, gibt es eine höhere Schule ab der 6. Klasse, in die auch einige Kinder Basas gehen. Etwas unterhalb liegt Khastap mit einem Health Post, einer Krankenstation, die von unserer Agentur gesponsert wird.

Nach kurzer Inspektion der verschiedenen gut ausgestatteten Klassenzimmer und der Vorschulklasse laufen wir zum nahen Grundstück von Niru Rai, unserem Agenturchef. Hier wohnt seine ältere Schwester Runchi Maya Rai (ca. 53) zusammen mit der 20-jährigen, aus einer sehr armen Familie einer niedrigen Kaste stammenden Haushälterin Jenny und vielen Tieren. Jennys kleine Schwester Mai Li wohnt, geht zur Schule und arbeitet im Haushalt von Niru in Kathmandu. Es gibt mehrere Gebäude, Ställe und die hier anzutreffenden schmalen Felder, die alle bewirtschaftet werden müssen.

Die Häuser des weitläufigen sehr sauberen Dorfes sind alle modernisiert und mit Beleuchtung außen und innen versehen worden, dank eines kleinen kürzlich errichteten Wasserkraftwerkes, das ebenso teilweise von unserer Agentur und von Touristen-spenden finanziert wurde. Die Häuser sind hier noch traditionell eingerichtet, im Hauptraum in der Mitte auf dem gestampften, sauber gekehrten Lehmboden eine Feuerkochstelle mit drei hohen schmalen Steinen für Töpfe, Pfannen. Die Bewohner und Gäste ziehen vor dem Haus ihre Schuhe aus und nehmen barfuß im Schneidersitz auf Strohmatten ringsum Platz. Man muss darauf achten, seinem Gastgeber nicht die Füße hinzustrecken, über das Essen zu steigen oder die kleinen Kinder am Kopf zu streicheln, ebenso ist es verpönt, mit der linken unreinen Hand die Speisen zu berühren. Es gibt jetzt mittlerweile in fast jedem Haus einen weiteren einfachen tönernen Küchenherd ohne Ofentür, vorn werden die langen Holzscheite angelegt und immer nachgeschoben, mit eiserner Kochplatte mit Öffnung für die Töpfe und einem Abzugsrohr nach draußen, sodass der Rauch nicht mehr in die Augen beißt und Bindehautprobleme verursacht. Zum Kochen wird das Holz der nahe wachsenden Bäume verwendet, die ja inzwischen auch wieder nachgepflanzt werden. Auch diese Herde wurden von Touristen finanziert.

Nirus Schwester ist rund um die Uhr beschäftigt mit dem Füttern ihrer Tiere, Felder bestellen und kochen. Es gibt drei Wasserbüffel, ein schwarzes Schwein, Ziegen mit Zicklein, Enten, Hühner mit Hahn, Tauben, zwei Hunde mit Welpe und eine scheue Katze, die mit dem Welpen spielt. Das Gute ist, alle Tiere verstehen sich untereinander, jedes hat sein Revier, seinen Platz und es gibt keinen Streit. Und alle lassen sich freiwillig streicheln, sogar die Miez, aber nur wenn sie dafür etwas Fressbares bekommt. Auch die Hunde und Katzen fressen Reis- und Gemüseabfälle, Fleisch gibt es selten und schon gar kein Futter in Dosen.

Wir werden begrüßt von drei Müttern befreundeter Guides, die gerade in Kathmandu oder mit Kunden auf Trek sind. Sie bringen traditionell den Rakshi mit für die Gäste zum Probieren, wir müssen uns sehr zurückhalten. Alle haben Goldschmuck in den Nasen und Ohren. Die Sprache in Basa ist zwar nepalesisch, aber es wird ein Dialekt gesprochen, sodass der schon seit Kindesbeinen an in Kathmandu lebende Milan manchmal wegen seiner versuchten Dialektsprache belächelt wird.

Milan schläft im großen Hauptraum des Hauses auf einer Matte am Boden, ich bekomme im Nachbargebäude im ersten Stock das noble holzverkleidete Gästezimmer mit 2 weichen sauber bezogenen Doppelbetten zugewiesen, sogar Beleuchtung und Steckdosen sind hier vorhanden. Im Erdgeschoss befinden sich Stallungen. Über eine steile schmale Hühnerleiter gelange ich zur Tür, die mit einem riesigen Vorhänge-schloss gesichert ist. Einige Wohnhäuser haben einfache Funktelefone, die sogar manchmal funktionieren.

Am frühen Abend besuchen wir den langjährigen Mitarbeiter, meinen Freund und treuen Trekkingbegleiter Phadindra Rai (48) in seinem Haus, wo er mit seiner hübschen kleinen Frau Kamala Devi (43) und seinen vier Töchtern Nir Mara (17), Kobita (14), Ruipa (10) und Himari (8) lebt. Wobei die älteste Tochter Nir Mara seit einem halben Jahr verheiratet ist und einige Dörfer weiter bei ihrem Ehemann wohnt. Das schmucke Wohnhaus liegt ca. 10 Gehminuten und 65 Höhenmeter bergab, es fällt aus dem Rahmen, weil es als einziges einen rot bemalten Balkon besitzt, ein einzigartiger schöner Kontrast zu der hellblauen Farbe, mit der die Häuser ansonsten gestrichen werden.

Da Phadindra auf seinen weit auseinander liegenden Feldern arbeiten ist, warten wir im Nachbarhaus eines unserer Trekking Guides. Paul ist sein Name und seine Familie ist christlich, eine Seltenheit in Nepal. Sogar eine kleine christliche Kirche gibt es in Basa. Wir bekommen frische Spiegeleier und köstlichen Mangosaft von Paul.

Dann aber kommt die Nachricht, Phadindra ist zurück. Es ist eine Überraschung für ihn, wir sind nicht angemeldet. Er tritt aus seiner Tür und strahlt mich an, mir kommen die Freudentränen. Das Wiedersehen ist überwältigend, wir umarmen und drücken uns. Wenn er mich schon nicht in Deutschland besuchen darf, so habe ich endlich mein Versprechen gehalten und ihn zu Hause in Basa besucht.

Es ist der ergreifendste und schönste Augenblick meiner gesamten sechswöchigen Himalaya-Reise. Wir haben viel zu erzählen und werden bewirtet, was das Haus hergibt, vor allem der selbstgemachte Chhaang in randvollen Messingschalen und der hochprozentigere Rakshi müssen von uns Gästen probiert werden. Für den nächsten Tag verabrede ich mich mit Phadindra, will ihm bei seiner Feldarbeit helfen, ernte aber Heiterkeit, die schwere Feldarbeit beginnt erst in zwei Wochen. Wir hören gar nicht mehr auf zu erzählen, irgendwann reißen wir uns los, sehen uns ja morgen wieder.

Im fast dunklen Ort finden Milan und ich beschwingt wie von selbst den Weg zurück in unser Grundstück zu Milans Tante. Diese will uns noch Abendbrot machen, wir lehnen dankend ab. Über meine Hühnerstiege klettere ich in mein Gemach. Es ist wie im Märchen, sehr warm draußen, die Grillen zirpen, ansonsten herrscht bis auf ein wenig Hundegebell absolut himmlische Ruhe.

+ 955 m / - 1530 m in 8:00 Std. (1:00 Std. Pause)

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