22. 06. 2006   ...Erbaut von 1954 bis 1956, drinnen mehr als 40 Zimmer, an den Wänden in 301 Szenen die religiöse Geschichte Tibets dargestellt. Wir durchqueren sein Empfangszimmer, Studierzimmer, sein Schlafzimmer. Im Arbeitszimmer steht ein riesiges altes Radio aus Indien von 1956, im Meditationsraum steht ein russisches Radio „Mir“ von 1954, der Dalai Lama ist ja damals auch ein großer Technik-Fan gewesen. Im weißen Bad herrlich nostalgische Armaturen, ein riesiger Toilettenspül-kasten, eine komplizierte messingne Dusche, verchromte Knebelwasserhähne über der gefliesten Badewanne. In der Versammlungshalle viele große Statuen und Hunderte kleine aus Bronze, ebenso Buddhapuppen.

Später sehen wir auf dem Dach eines anderen Hauses viele tibetische junge Leute einen Arbeitstanz mit Stampfern aufführen, wie er auch auf dem Jokhang Tempel öfter stattfindet. Im Kunstgewerbehof, wo es wertvolle echte Antiquitäten teuer zu kaufen gibt,  spielen und tanzen zwei Verkäufer für uns und bekommen ein kleines Trinkgeld dafür. Inzwischen regnet es ziemlich stark, wir verlassen den Sommerpalast und treffen am Fuß der Potala Iris und Gyaltsen. Er erzählt, dass in der Stadt Lhasa ca. 200.000 Menschen leben, mit Vororten eine halbe Million.

Nach einer Stunde Ruhepause im Hotel setzen wir uns auf die Dachterrasse des nepalesichen Mandala Restaurant am Barkhor zum Mittagessen. Die Aussicht auf Menschen und Stadt ist vom Feinsten. Anschließend fahren wir zum Sera Kloster, um die Debatte der Mönche zu erleben. Gegründet wurde es 1419 von Jamchen Choje Shakya Yeshe, einem Schüler Tsongkhapas, hat eine Versammlungshalle, drei Schulen und über 33 Häuser und liegt auf einer Fläche von 155.000 m², ist bekannt als eine der drei Hauptklöster der Gelugpa-Sekte in Zentraltibet. 5500 Mönche waren es, 200 sind es jetzt, inklusive der Hausangestellten. 15 Uhr beginnt die Debatte, ca. 200 Mönche stehen und sitzen dabei im Hof und schulen in Streitgesprächen ihre Schlagfertigkeit, mit Worten, Argumenten und Gegenargumenten ihre Gegner unterzukriegen und die Oberhand zu gewinnen. Dabei klatschen sie in die Hände und gestikulieren wild herum. Sehr interessant, es sind aber auch etliche Touris anwesend, die sich das Spektakel auf Film bannen.

Nachmittags treffen wir uns zum gemeinsamen Foto gegenüber der Potala mit unserem Mr. Fotographer Witz. Abends gehe ich allein nochmal zum Jokhang Tempel, genieße auf dem Balkon lange den Abschied von Lhasa und seinen liebenswerten Bewohnern. Die für heute geplante Trekkingtour auf einen kleinen Berg in Lhasa, evtl. Richtung Gephel Ri (5240 m) oberhalb des Drepung Klosters mit 100 km Rundumsicht muss leider ausfallen, da alles in dicken Wolken war und auch ein kräftiger Regen dagegen sprach.

19 Uhr treffen wir uns mit Sherrap, dem Chef unserer tibetischen Trekkingfirma, er lädt uns zum Lhasa-Abschiedsdinner in ein chinesisches Gourmet-Restaurant ein im chinesischen Viertel der Stadt. Ein 33-jähriger quicklebendiger gutgelaunter lustiger optimistischer Mann im T-Shirt mit den Buddha-Augen begrüßt uns, im ersten Stock bekommen wir ein Separé mit einem gläsernen Drehtisch. Die Speisen sind vom Allerfeinsten, es gibt für jeden einen kleinen Teller und ein Schüsselchen, dazu Stäbchen und einen Löffel. Auf die Drehscheibe kommen Kartoffelbrei mit Schnittlauch und Gemüse, scharf gewürzte Tofu-Scheiben, paniertes, schwimmend in Öl gebackenes Schweinegeschnetzeltes, eingelegt in eine scharfe rote Sauße, gebratene kleine Schweinsrippchen, gebratenes Hühnchen ohne Knochen, angemacht mit gerösteten Erdnüssen in feiner Sauße, eine feine gemischte Pilzsuppe mit Meeresfrüchten auf Spiritusbrennern, dünne gedünstete Fenchelstengel, grob gehackter Spinat. Dazu gibt es Lhasa-Weizenbier.

Sherrap erzählt einige Schwänke von Trekkingtouren, dass die Inder bei den Einheimischen am Kailash sehr unbeliebt, die Europäer dagegen gut angesehen sind, eine 70-jährige Frau trug er schonmal im Tragekorb auf dem Rücken vom Pass herunter. Von unerfahrenen 20-jährigen Engländern mit Riesenkraxen, die im Tiefschnee nicht mehr weiterkonnten und die er ebenfalls runterbringen musste samt Gepäck, erzählt er. Heute vor einer Woche war wieder so hoher Schnee am Kailash, dass von 50 Touristen 30 wieder umkehren mussten und das Ende Juni. Insgeheim merken wir wieder einmal, dass wir auf unserer Reise wirklich Glück mit dem Wetter und unserer Planung hatten.

 

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