20. 06. 2006   ...Die aufgehende Morgensonne zaubert herrliche Farben in die Landschaft, wir stoppen, um Fotos zu schießen, es werden Traumbilder. Nach 30 km erreichen wir die Staumauer des Semila-Sees, dessen Wasserspiegel ca. 15 m unter dem normalen Pegel ist, es folgen weitere Baustellen an der schmalen Straße bis zum Semila Pass (4330 m), wir klettern weit an den Felsen vor, um eine gute Aussicht auf die alte Festung im See zu haben, er zieht sich hier weit hinter in ein Seitental hinein. In der Ferne sehen wir schon den 7191 m hohen Schneeberg Nojin Gangsang, der Palast des unterirdischen Wesens, an dem der Karo La Pass (5010 m) unmittelbar unterhalb vorbeizieht. Vorher noch chinesische Bautrupps, neben großen Zelten mit roten Fahnen in der aufgerissenen Landschaft sehen wir gebückte Rücken, gelbe Helme, Wollmützen, Staubmasken, dicke Baumaschinen und Betonmischer.

Vor dem Pass unter den Gletschern auf 4900 m eine bunt geschmückte Stupa auf einer Bergwiese mit Teehaus, von tibetischen Verkäufern bevölkert, die uns „echte“ Kristalle, einer größer als der andere, verkaufen und sich gegenseitig den Preis drücken. Rechts gegenüber der von einer Schneemütze bedeckte Jetung Chusang (6242 m). Es geht nun wieder abwärts, wir durchfahren zweimal den breiten Gletscherfluss, ein prickelndes Gefühl. Nach 100 km beginnt im Tal auf 4560 m eine neue schwarze Asphaltstraße mit gelben Mittellinien, der Heilige Yamdrok-See liegt vor uns. Wir fahren durch Nakartse mit einer kleinen Festung, es werden hier viele neue Häuser gebaut.

Für die Kora um den Yamdrok-See benötigen Pilger ca. 14 Tage, im Winter fahren sogar Traktoren auf seiner dicken Eisdecke. Hier gibt es auch Stechmücken am Seeufer, wir fahren bis an eine Stelle ohne diese Plagegeister und machen ein Päuschen, um den Heiligen See zu begrüßen und unser Lunchpaket zu vertilgen. kaltes gebratenes Hähnchen, von dem ich dann öfter auf das stille Örtchen muss, als vorgesehen. Auf dem Kamba La Pass (4790 m) stehen bunt geschmückte Yaks, die sich gern für ein Trinkgeld an ihre Führer fotogra-fieren lassen. Die Sicht auf die fernen Berge ist wolkenfrei. Es geht dann 1100 m hinunter auf glatter Serpentinenstraße, die nach 190 km unten im Tal des Lhasa Tsangpo ankommt, ein grünes baumbestandenes Tal mit Feldern und Bauernhäusern. Die Allee nach Lhasa ist von 20 m hohen pappelartigen Bäumen flankiert, dahinter Wiesen, Büsche, Weidenbäume und grüne Felder.

276 km sind es ins Stadtzentrum, 16 Uhr erreichen wir das mondäne Xiong Bala ***Hotel in Lhasa (3650 m), 488 Yuan (51 Euro) kostet das preiswerteste Doppelzimmer. Die Stadt ist in den 5 Jahren seit unserem letzten Besuch enorm gewachsen, eine neue breite Prachtallee zieht sich endlos an den mit geschmacklosen chinesischen Zweckbauten gesäumten Vororten dahin, Hochstraßen sind im Entstehen, ein neuer Tunnel verbindet den Lhasaer Flughafen mit der City, auch in der Innenstadt ist mehr Hektik, die Märkte sind größer geworden, mehr Menschen und Autos bevölkern die breiten Straßen. Eine neue Strecke der höchsten Eisenbahnlinie der Erde über 1142 km, die erste Verbindung auf das „Dach der Welt“, führt von Lhasa in den Osten Tibets und weiter nach Peking, am 1. Juli ist die offizielle Eröffnung für den Personenverkehr. Das ehrgeizige, umstrittene Projekt der Chinesen hat 3,3 Milliarden Euro gekostet. Was ich gut finde, die Straßenampeln zeigen an, wie lange die jeweilige Grün- oder Rotphase noch dauert.


Ich liege auf meinem Bett im Zimmer und sehe aus dem Fenster den Potala Palast und rechts den Jokhang Tempel. Erstmals in Tibet gibt es auch Ansichtskarten zu kaufen. Wir haben nun die angenehme Pflicht, einige davon zu schreiben und abzuschicken. Als ich mit Witz an der Rezeption noch 70 Dollar 1:7,5 in Yuan eintausche, bemerke ich neben mir eine bekannte tibetische Räucherstimme, ich drehe mich um, richtig, es ist unser Führer von 2001, Tenzing, nur etwas breiter geworden. Nach einer Weile erkennt er uns, drückt mich gleich und fragt, wie´s uns geht und was wir hier machen. Die Welt ist halt klein, später treffen wir ihn nochmal in einem Restaurant in Lhasa, auch wieder zufällig. Abends gehen wir mit Gyaltsen ins hippiemäßig eingerichtete Makye Ame Restaurant am Jokhang Tempel, sitzen im ersten Stock auf dem bequemen Sofa und essen zu Abend. Als Getränk bezahlt uns Gyaltsen immer Lhasa-Bier, sicher auch nicht bei allen Trekkingfirmen üblich.

 

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