19. 06. 2006   ...Man kann aber nur mit viel Zeit und mehreren Besuchen die ganzen Sehenswürdigkeiten mitbekommen. Wir sehen die mit 26 m weltweit größte Metallstatue aus vergoldetem Kupfer, die des Buddhas Maitreya. Die 70.000 m² beherbergen zahlreiche Reliquien, die von den Chinesen weitgehend verschont wurden. Am großen weißen Gebäude oben am Berg werden zu tibetischen Feierlichkeiten große Thankas entrollt. In diesem Kloster lebten zur Zeit des 5. Panchen Lama 6000 Mönche, heute 350, darunter sind auch Undercover-Mönche als Zuträger für die chinesische Staatssicherheit tätig. Mönch werden ist in China nicht mehr so einfach, man muss einen schriftlichen Antrag stellen und eine staatliche Parteiorganisation untersucht dann die Familiengeschichte des Antragstellers, bei dunklen politischen Punkten auch in der Verwandtschaft darf der Sohn oder die Tochter nicht in ein Kloster eintreten.

Fahrt nach Gyantse 11 Uhr beginnt die Fahrt Richtung Gyantse, Pasang legt heiße tibetische Kassettenrhythmen ein, Gyaltsen sitzt jetzt immer ganz hinten, da die Verkehrspolizei vorn nur zwei Personen erlaubt. Die Straße ist ebenfalls neu und auf hohen Dämmen vor Überschwemmungen gesichert, ich denke zurück an 2001, als wir für die 96 km ganze 12 Stunden brauchten. Neben der Straße grünen die Gersten- und Weizenfelder, viele Bauerngrundstücke stehen am Wegesrand.

Am Kilometerstein 71,5 auf der linken Seite Richtung Shigatse steht Gyaltsens Eltern- und Geburtshaus, bewohnt von seinem ältesten Bruder (49) dessen Frau und Kindern, er selbst wohnt ja jetzt in Lhasa. Er lädt uns zu einem Besuch ein, wir laufen über schmale Pfade zwischen den bewässerten Feldern links zu einem großen mauerumschlossenen großen einstöckigen tibetischen Haus, hinter einem anderen Grundstück versteckt. Im Hof Pferde, Kühe und Schafe, im kalten tibetischen Winter bewohnen die Tiere das Erdgeschoss. Nach oben führt eine steile Holztreppe ins Wohnzimmer mit Katze und für offiziellen chinesischen Kontroll-Besuch pappt das obligatorische Mao- und Regierungs-Betonköpfe-Plakat an der Wand. Die Küche mit großem Ofen wird nur im Sommer genutzt, gekocht und geheizt wird mit Yakdung, der in großer Anzahl rund geformt außen an den Hof- und Hausmauern klebt.  Wir bekommen von der Hausherrin wunderbaren sahnigen Buttertee und selbstgebrauten gelben Chang, eine Art Gerstenbier, nicht jeder versteht sich darauf, einen guten Chang herzustellen, dieser hier ist echt gut. Wer guten Chang bereitet, ist auch aus verständlichem Grund bei allen Nachbarn sehr beliebt. Das Haus wird laufend vergrößert, zur Zeit wird an einem Gästezimmer gearbeitet, die Schränke werden gleich hier geschreinert, die Deckenbalken und Möbel auf tibetische Art bunt bemalt. Ein reich geschmückter Hausaltar wird uns aufgeschlossen, sogar Dalai Lama-Bilder stehen dort neben den kleinen Buddha-Statuen, die beim oben genannten Besuch allerdings verschwinden müssen. Von uns kommen zwei neue Fotos dazu. Einmal erzählt mir Gyaltsen, sein größter Traum wäre ein chinesischer Reisepass, damit würde er als erstes nach Dharamsala in Indien fahren, um den Dalai Lama zu sehen. Leider ist es für normale Tibeter nur schwer möglich, einen Pass zu bekommen, man muss dazu reich sein, eine große Familie, große Firma und viele Sicherheiten haben. Seine geheimen Gedanken teilt er nur mit guten Freunden, denen er vertrauen kann, eine Unvorsichtigkeit und seine Lizenz als Touristenführer ist weg. Wir fühlen uns sehr geehrt, dass er uns vertraut. Er hat vier Brüder und eine Schwester, seine Eltern sind beide gestorben. Studiert hat er Lehrer für Mathematik und Englisch.

14 Uhr erreichen wir unser Tibet Gyantse Zongri Hotel in Gyantse (3950 m), bekommen im ersten Stock schöne Zimmer. Im vierten Stock essen wir gemeinsam Mittag a la card, die Küche befindet sich auf dem Hoteldach, das wir gleich für eine Fotosession nutzen. Es ist wieder T-Shirt-Wetter, die Sonne brennt heiß vom Himmel. Endlich Besichtigung des Gyantse Dzong, wir sind bis auf drei Tibeterinnen die einzigen Besucher auf dem 125 m hohen Burgberg. Die Festung wurde 967 vom Nachfahre eines religiösen Königs der Tobo gegründet, umgebaut 1390 von Langchin Puckpu Palsang. Sie war lange Sitz der alten tibetischen Regierung, die hier oben Steuern und Abgaben seiner Untertanen kassierte, ein Gefängnis und Folterkammern hatte. Dies kann man in Museumsräumen ansehen, es gibt lebensgroße Puppen mit Darstellungen der damaligen Gerichtsbarkeit, der Steuereintreibung. 80 % Steuern mussten damals entrichtet werden, wer das nicht konnte, wurde grausamsten Folterungen mit Hände, Füße, Zunge und Nase abschnei-den, Sehnen ausreißen usw. ausgeliefert, wie hier lebensecht zu sehen ist. Am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Festung Schauplatz der dreimo-natigen Verteidigung von Gyantse gegen den englischen Eindringling Younghusband, allerdings konnten sich die schlecht bewaffneten Tibeter nicht gegen seine besseren Feuerwaffen halten, von einem hohen Felsen hinunter stürzten sich etliche tibetische Krieger freiwillig in den Tod. Wir besichtigen den Palast des Religiösen Königs, die Religiöse Versammlungshalle der alten tibetischen Regierung, die Halle der Steuereintreibung. Kulturelle Reliqien sind nur sehr wenig erhalten geblieben. Viele Räume stehen leer. Aber die Aussicht vom Berg ist fantastisch nach allen Richtungen.

Wir sehen unser nächstes Ziel, das Pelkor Chöde Kloster mit der einmaligen Khumbum Stupa unter uns liegen, steigen auf einer langen Treppe hinab, laufen auf der Rückseite des Dzong auf der neuen Serpentinen-Autostraße in ein tibetisches Wohnviertel, gelangen durch die Gassen von Gyantse auf die schmale Straße, die uns zum Kloster führt. Hier werden in den Häusern bunte tibetische Teppiche geknüpft. Auf allen Dächern die Bambusstangen mit bunten Gebetsfahnen halten die bösen Dämonen fern vom Haus. Kühe liegen in der Hitze im Schatten der Häuser. Wir erreichen das Pelkor Chöde Kloster, laut Eintrittskarte Baiju Temple, gegründet wurde es 1418, war einst ein multinationaler Klosterkomplex. Es ist sehr dunkel in den Hallen, am Eingang stehen die vier Beschützer-Statuen, in der hinteren Kapelle thront Sakyamuni, flankiert von den 450 Jahre alten Buddhas der Vergangenheit und Zukunft, viele Bodhisattvas reihen sich an den Wänden.  Im oberen Stockwerk sind ebenfalls interessante Tempelhallen zu sehen, mit indischen und nepalesischen Reliquien. 85 Mönche leben hier, im 17. Jahrhundert waren es 4000. Am schönsten gefällt uns allerdings die weltberühmte, neunstöckige, 32 m hohe Kumbum Chörten oder Stupa, die 1440 von einem Prinzen aus Gyantse in Auftrag gegeben wurde. Sie wird von einer goldenen Krone überdacht, auf der zugänglichen Plattform sind an allen vier Seiten die nepalesischen Augen von Buddha zu sehen. 6 Stockwerke können begangen werden, 76 Kapellen und 108 Türen befinden sich darin, nach oben werden die Kapellen immer kleiner, es stehen viele Statuen, die innen aus Lehm- oder Tonerde bestehen, darin. Diese wurden wieder einmal von den chinesischen Horden zerstört, später aber teilweise neu geschaffen. Die Kumbum wurde von nepalesischen Zimmerleuten gebaut, auch innen ist deutlich der Einfluss der Newari oder nepalesischer Künstler zu sehen.

Zurück