09. 06. 2006   ...Guge entstand nach der Spaltung der Tubo Dynastie im 9. Jahrhundert. Nachdem der letzte König Lang Darma starb, begann die Königsfamilie sich um den Thron zu streiten. Gyide Nyimagun, der Nachkomme Lang Darmas, teilte Ngari in drei Teile und gab jedem seiner drei Söhne ein Stück. Das Königreich Guge wurde dann von Dezogun, dem dritten Sohn von Gyide Nyimagun regiert, die Herrschaft seiner Familie dauerte 700 Jahre, dann wurde alles in einem Krieg zerstört. Während ihrer Blütezeit im 11. Jahrhundert waren Tholing und Tsaparang die wichtigsten Städte in Tibet. Insgesamt regierten das starke und mächtige Guge 16 Könige und die Burg war vom 10. bis zum 16. Jahrhundert ständig geprägt von Neubauten.

Schon von weitem sehen wir den 300 m hohen Berg mit seiner Grundfläche von 180.000 m², mit seinen Klöstern, dem Palast auf dem Gipfel, den über 300 Wohnhöhlen und ehemaligen schäbigen Hütten, den eingefallen Mauern später erbauter Gebäude überall am Berg. Früher lebten einmal 6500 Menschen hier, zuerst in Höhlen, später wurden dann auch Häuser auf dem Berg errichtet. Aber die Zerstörungswut der Rot-Chinesen ging nicht spurlos an diesen Mauern vorrüber. Einiges ist inzwischen wieder von Spenden aus der Bevölkerung Tibets wiederaufgebaut. Wir beginnen unsere Besichtigung, nachdem wir im Büro 106 Yuan Eintritt bezahlt haben.

Der erste Klostertempel ist die Kapelle des Präfekten mit Wandmalereien aus dem 16 Jahrhundert, auf denen Sakyamuni flankiert von Atisha und Tsongkhapa zu sehen sind. Im zweiten Gebäude, dem Lhakhang Karpo oder Weißen Kapelle sind die meisten der 22 großen Buddhastatuen zerstört, einige wenige kleinere Statuen sind noch vorhanden, hier drin haben die Chinesen besonders gewütet. Hier sind die ältesten Malereien von Tsaparang zu sehen. In den Wänden sind kleine runde Steine eingelassen, auf denen kleine Buddhas sitzen. Am Eingang steht Vajrapani, ein 5 m großer blauer Wüterich, ein Beschützer und Wächter, ihm gegenüber der nicht minder schreckliche rote Hayagriva. Dieser Tempel ist der bedeutendste in Westtibet. Am dritten Tempel, dem 30 Jahre vor der Weißen Kapelle 1470 errichteten Lhakhang Marpo oder Roten Kapelle öffnet sich uns eine schöne Naturholztür, wir sehen mehrere Stupas und die Wandmalereien, die 1630 kurz vor dem Untergang von Guge erneuert wurden, sind hier sehr gut erhalten. Der kleinere Yamantaka Lhakang Tempel liegt noch einige Stufen oberhalb, alle Statuen auch hier zerstört, die Murals neueren Datums und in schlechter Qualität gezeichnet. 

Von den vier Tempeln führt ein in den Fels gehauener unterirdischer Treppenaufgang nach oben zum restaurierten Sommer-Königspalast. Seine Zimmer sind leer, vom Balkon am Nordende haben wir einen wundervollen Ausblick über Tsaparang und die herrlich zerklüfteten Bergtäler der Umgebung, die aus einer Art sandigem Lehm oder lehmiger Erde bestehen. Die Erosion zauberte dabei herrlich bizarre Gebilde und Figuren in die Natur. Der Rote Mandala Lhakhang Palast auf der Bergmitte beherbergt ein schönes dreidimensionales Mandala, ist aber leider geschlossen. Wir steigen auf einer Treppe 30 m im Felsen steil nach unten, betreten den Winterpalast, der aus einem niedrigen Höhlensystem besteht, wir müssen gebückt durch die Gänge huschen. Tauben nisten in den Höhlen. Wieder oben, betreten wir die nach oben offene Versammlungshalle, hier wurde auch das Wasser bei Regen gesammelt und in einem Sammelbecken gespeichert. Auf der Spitze des Königsberges ruhen wir uns aus, genießen die Rundsicht und machen Fotos.

Zurück fahren wir links herum eine kurze andere Strecke, bevor wir wieder auf unsere alte Route zurückkehren. Wir erhalten eine Ansichtskarte von Guge, die wir an unsere Tochter Marie schicken, versehen mit allen Unterschriften unserer Begleiter, leider wird sie nicht ankommen, da sie nur eine aufgedruckte 0,80 Yuan-Marke hat, 4,50 müssten es sein. Schade vor allem, da Phadindra, der uns beim Guge-Besuch begleitet, auch erstmalig eine Karte an seine Familie daheim schickt. Beim abendlichen Rundgang  in Tholing erwerben wir eine große Gebetsfahnenkette, sauber mit kräftigem Gurtband vernäht, wir werden sie später am Mount Kailsh auf dem Drölma Pass für die Götter festbinden. Ansichtskarten gibt es bis Lhasa in keinem Ort zu kaufen, wir erfahren erst dort die richtigen Portokosten.

Zum Abendessen 20 Uhr 30 erläutert uns Sanga die Bedeutung der Namen von Dorje - Weisheit kombiniert mit Manneskraft. Phadindra bedeutet Regenbogen nach einem kleinen Regen. Sanga wird von seiner Familie Sangé genannt, der Name bedeutet Sternchen, oder eine Zacke von Shivas Dreizack oder eine Einheit von Mönchen. Abends lade ich unsere drei Nepalesen und drei Tibeter ein in eine tibetische Disko, wir sind die einzigen Gäste. Der Saal ist in Dunkelrot gehalten mit tibetischen Motiven und Fähnchen, der Fußboden mit roten Teppichen ausgelegt, wir sitzen an kleinen Lacktischchen auf Sitzbänken. Die  Musik ist meist folkloristisch tibetisch, nepalesisch oder indisch, teilweise etwas tekkno-angehaucht. Tanzgruppen tummeln sich auf bunten Naturwiesen im großen Fernseher. Wir trinken Lhasa-Bierdosen aus kleinen Schnapsgläschen, es wird immer randvoll geschänkt und die hübsche Kellnerin gibt uns die Gläser in die Hand, animiert uns zum Trinken. Für die 20 Bierbüchsen bezahle ich 115 Yuan (12 Euro). Ab null Uhr läuft das Eröffnungs-Fußballspiel Deutschland gegen Costa Rica (4:2 für uns) der Weltmeisterschaft in Deutschland, Sanga schaut es mit uns an. Es wird eine kurze Nacht.

 

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