31. 05. 2006   ...wir haben Glück, die Landebahn erscheint links vor uns in einem Seitental und wir setzen auf einer huppeligen steinigen Erdpiste auf. Phadindra begleitet uns auf dem Flug. Eine Wanderung hierher würde ca. zwei Wochen dauern, eine Straßenverbindung gibt es nicht. Da sich einige feiste Inder in den ersten Sitzreihen gleich mehrere der von der Stewardess angebotenen Flugbonbons nehmen, bleibt für uns hinten das Nachsehen. Ein Teil der 137 indischen Kailash-Pilger, die ebenfalls zum Sagadawa-Fest am Kailash wollen, war früh vor uns schon eingecheckt, wir können warten und den zweiten Flug nehmen. Die uns später parallel begleitenden Österreicher haben weniger Glück, sie müssen einen Tag in Nepalgunj warten, da am Flugtag die Sicht gleich Null ist. Wir fragen uns, wie die meist reichen behäbigen, dicken Inder die Kailash-Kora schaffen werden, später kriegen wir mit, dass sie von Simikot auf die Höhe von Tibet mit Hubschraubern gebracht werden, von Akklimatisation kann keine Rede sein. Nicht ohne Grund sterben jährlich einige Menschen bei der Umrundung des Mount Kailash.

Wir werden abgeholt von unserem neuen Führer Sang Bahadur Rai, Sanga genannt, er erinnert mich in seiner Art, seinem Reden und seinem Lachen etwas an Niru, der uns am Kangchendzönga führte. Ihn begleiten unser Koch vom Manaslu-Trek Dorje Rai, sowie unser Freund Pasang, der hier die Österreichergruppe erwartet. Wir begrüßen uns herzlich. In einem Lodgehotel bekommen wir Getränke und unser Mittagessen. Auch die vielen Inder in ihren weißen Gewändern und leuchtend orangen Tüchern sind wieder hier und machen lautstark mit Gebeten und Gesang, alles von einem Kameramann gefilmt, auf sich aufmerksam. Lautstark regt sich auch Iris auf, als Sanga 5 $ zusätzlich anfallende nicht voraussehbare Trekkingkosten von uns kassieren will, im Stillen schäme ich mich vor ihm für sie. Unsere Pässe und ein Passfoto werden noch benötigt, um das Trekkingpermit der Humla-Region zu aktualisieren.

Ein älterer Österreicher lebt schon seit einem halben Jahr hier und leitet ein nepalesisches Hilfsprojekt aus Wien für das hiesige Krankenhaus, versucht, mit den Spendengeldern das Niveau der Krankenhelfer, des Hygieneverständnisses und der Einrichtung ein bischen zu heben. Die Humla-Region, in der wir uns befinden, ist die ärmste von ganz Nepal und die fünftärmste Region weltweit. Man sieht es auch an der Bevölkerung, die meist sehr elend und abgerissen aussehen. Früher kannte man hier nur den Anbau von Reis und Gerste, ernährte sich sehr einseitig. Die Menschen sehen aus wie Nordinder, sehr dunkel und hager. Sanga erzählt uns von seiner ersten Tour vor 12 Jahren, als Simikot noch aus 20 ärmlichen Lehmhütten bestand, kein Vergleich zu den jetzt teilweise stattlichen, zinnblechgedeckten Häusern, den Schulen, der Kanalisa-tion heute. 2000 Einwohner ca. leben jetzt hier, eine Familie hat oft 8 – 12 Kinder. Abwanderung nach Kathmandu gibt es kaum, da die Überlebens- und Einkommenschancen dort noch schlechter als hier sind. Man lebt außer dem spärlichen Kailash-Tourismus von der Landwirtschaft, Viehzucht und Tauschhandel, führt Salz aus Tibet ein.

Wir machen einen Rundgang durch Simikot, landen in einer Grundschule bei vielen Kindern zwischen vier und 10 Jahren, alle in Schuluniform, wo wir im Zimmer des Prinzipal (Direktor) auch etwas Geld für sie spenden. Auch einen Maoistenstützpunkt gibt es hier, erkennbar an den roten Fahnen, doch dazu später. Dorje heuert drei Küchenhelfer in Simikot an, Siteh Sunar (=Blacksmith), den großen immer Freundlichen, den 16jährigen hilfsbereiten  Dhan Bahadur Shahi und den eher trägen jungen Birgit Shahi mit der Dopi (nepalesische Kappe) und dem dunklen ernsten Gesicht. Wir packen unsere Säcke für den Trek, sie werden zusammen mit einigem schweren Küchenzubehör auf vier Pferde und zwei Mini-Esel verladen, der kleine Pferdemann ist der freundliche Tambatsiring Lama, der andere heißt Pambdorje Lama, der Eselmann ist Nana Sunar, alle aus Simikot.

Nach dem Essen starten wir unseren Humla-Trek zur tibetischen Grenze entlang des Humla Karnali Flusses, vorbei an Weizen- und Gerstenfeldern, einfachsten mit Lehm und Stroh gedeckten Hütten auf einem mit Cannabis und Nesseln gesäumten felsigen Pfad, laufen an den  Steinhäusern des oberen Simikot und der Gemeinschaftswasser-versorgung vorbei. Es sieht nicht weit aus, aber es ist ein 300 m langer Anstieg zum Gipfel eines aufgeforsteten Bergrückens, der die Stadt überblickt. Der Trek macht dann einen langen, steilen Abstieg auf einem felsigen Serpentinenpfad, führt oberhalb der Dächer des Dorfes Dandaphoya entlang. Weiter an einem alleinstehenden Haus vorbei, dann nach Tuling, auch bekannt als Majgon, ein kleines Thakuri-Dorf auf 2290 m Höhe. Es gibt einen kleinen Zeltplatz mit neuem Küchen- und Toilettenhaus auf einer Terasse eine halbe Stunde nach dem Dorf über die blaue Stahlbrücke direkt am rauschenden Nebenfluss Shara oder Hepka Khola, Darapari Khola wird er von den einheimischen Kindern genannt.

Der nachfolgende nahe Ort heißt Chauganphaya. Unsere drei gelben Expeditionszelte, die dem Sherpa Dome ähneln, werden von Sanga und Phadindra errichtet, das blaue Esszelt ebenso. Witz und Iris genießen wieder das Privileg eines Einzelzeltes. Wir bekommen wie immer einen Eimer mit warmem Wasser, Seife und Handtuch bereitgestellt. Auf dem Dach einer Lodge bauen zwei Stuttgarter ihr oranges Vaudé-Mark II-Zelt auf, sie werden ebenfalls zum Kailash wandern. Im Hintergrund stehen steile Berge, auch hohe Schneeberge, Fünftausender, sind zu sehen. Die felsige Landschaft ist dicht bewachsen mit Bäumen und Büschen, Wasserfälle stürzen herab. Beim Nachmittagstee bekommen wir Besuch von Tausenden Fliegen, die sich an unseren Keksen und dem Milchpulver laben, ein Zeichen der mangelnden Hygiene der hiesigen Bevölkerung, wir erleben es das erste Mal so in Nepal. Auch die Dorfkinder bekommen ihre Bonbons und Kaugummis, es kommen immer neue. Witz verteilt kleine Spielsachen.                                                

 + 355 / - 935 m in 4 Std. (0:15 Std. Pause)

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