29. 04. 2013   ...Diese überqueren wir alle am linken Ufer weit oberhalb der Flusssohle, wo sich der Ruinsara River seinen Weg durch die Schneemassen frisst. Im weichen Altschnee sinken wir einige Zentimeter ein, sodass keine große Abrutschgefahr besteht. Nur einmal ist ein Schneebrett unter der Last eines Menschen zerbrochen und dieser fand sich leicht durchnässt zwei Meter tiefer in einem Bachbett wieder. Jana und Christian leisten hier allen Vorüberkommenden Hilfestellung. Trotzdem rutschen noch einige in den Bach. Nach 30 Minuten passieren wir eine kleine gemauerte, ringsum offene Hütte, das könnte Dev Thatch gewesen sein. Es geht nur langsam aufwärts, 1½ Std. später sind wir erst 170 Höhenmeter aufgestiegen.

Auch hier durchqueren wir eine wundervolle erwachende, keimende, grünende und erblühende Natur. An den Bäumen und Büschen treiben die frischzarten Blättchen, Knospen und Blüten aus. Auf den Wiesen sprießt  zartes Gras aus der braunen Erde und zwischen dem vom Schnee gepressten Altgras des vergangenen Herbstes. Verschiedene kleine Blumenarten, viele winzige Myosotis, also Vergissmeinnicht wachsen hier. Auch der Bambus grünt sehr zart. Am schönsten sehen die verschiedenfarbigen weißen, roten und lila Rhododendren aus, die gibt es hier auch als stramme Bäume bis zu 35 m Höhe und einem Meter Stammdurchmesser.

Der breite Weg am linken Ufer ist sehr gut ausgebaut mit den Hang stützenden Steinen und Treppenstufen. Trotzdem passieren wir immer wieder heftige Hangabrutsche, die man mühsam umklettern muss. Am Talende leuchten die schneebedeckten Berggruppen und locken uns immer höher hinauf, wie eine geheime Macht oder Magnet ziehen sie uns an. Aber unser Ziel ist noch fern. Ein Träger bietet mir Chapati mit einer frischen Chilipaste an, alle freuen sich, als mir die Tränen aus den Augen stürzen. Dafür zerteile ich Ihnen meinen Apfel, hier oben eine seltene Köstlichkeit. Wir überqueren einige kleine Bachläufe, gelangen in die Talmitte.

Dann weitet sich das Tal aus zu einem ca. 500 m breiten leicht ansteigenden Hochplateau. Die Hügel sind mit dünnen Bäumchen bestanden, überwiegend verkrüppelte Birken, die ihre besenartigen Äste kläglich in die Landschaft recken. Überall liegen riesige Felsbrocken herum, die schwarz-weiß-grüne Landschaft wirkt urwüchsig und gewaltig. Wir umgehen das Birkenwäldchen rechts. 12 Uhr geht wieder ein leichter Graupelschauer auf uns herab, das hat den Vorteil, dass man nicht nass wird. Eine halbe Stunde später scheint die Sonne, Aprilwetter im Mai. Wir sehen ein indisches “Sägewerk“, zwei Arbeiter auf einem windigen Holzgestell, einer akrobatisch oben und einer darunter, sie schneiden mit einer riesigen Säge lange Baumstämme akkurat längs zu Brettern und Balken. Das Material wird für den Neubau einer Brücke zum rechten Ufer benötigt.

Schließlich sehen wir rechts ein festes Haus, in dem unsere Träger nachts unterkommen. Sie haben schon ein Feuerchen angefacht. Wir haben zwar in Delhi unterschrieben, dass Feuer und Holzentnahme beim Trek verboten sind, doch das hebt keinen an, auch nicht unseren Begleitoffizier. Trockenes Holz liegt hier noch genug herum, nicht wie in Nepal, wo es bereits beginnt, kahl zu werden in den Tälern mit den vielen Touristen. Kurz danach kommt der Ruinsara Tal (= See) in mein Blickfeld. Näher gekommen stelle ich fest, dass er ziemlich flach ist. Er liegt auf 3610 m Höhe.

Direkt am südöstlichen Ufer sind alle Zelte aufgebaut, die schnellsten unserer Gruppe sind schon lange “zu Hause“ und haben sich bereits wohnlich eingerichtet. Auch ich beziehe eine Seite des Zeltes. Vor allem anderen muss ich erst einmal die Wassertemperatur prüfen. Am schneebedeckten Schrägufer rutsche ich vom Schneefeld ins schwarze Wasser. Mann ist das kalt, der Boden des flachen Wassers ist von Schlingpflanzen bedeckt, die mich nach unten ziehen. Schnell ins Tiefe. Der Atem stockt und die Waden und Schultern zwicken wegen der Kälte. Also wieder ans Ufer in den Schnee, der ist wärmer. Um wieder warm zu werden, schnappe ich mir meine treue Begleiterin, die Nikon D5100, und mache einen Rundgang auf dem langen von Birken bestandenen Moränenhügel, der den See überragt. Von oben hat man Aussicht auf beide Seiten dieser Moräne, auf die andere Moräne und auch in die von reinweißem Tiefschnee bedeckten südlichen Quertäler, von denen eines uns die nächsten Tage über Bali- oder Yamunotri Pass führen soll.

Zum Abendessen gibt es heute eine mit Zwiebeln, Knoblauch und Ingwer gewürzte und mit Mehl gebundene Suppe, Makkaroni mit Tomatensauce und Reibekäse, Pfirsiche als Dessert. Nachts pladdert heftiger Regen in mehreren Wellen auf unser Zelt herab.

+ 680 m / - 95 m in 5:20 Std. (einige kurze Pausen)

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