30.09.2009 ...Sie alle fliegen in großen grauen Militär-Düsenmaschinen. Wir fliegen mit einem Airbus A-320 nach Delhi. Da wir links sitzen, können wir nach dem Stok Khangri-Massiv und den Bergen von Ladakh unmittelbar unter uns die langgezogene weiße Bergkette von Zanskar sehen, darinnen viele Gletscher. Auch die Täler sind teilweise schneebedeckt, nur wenige Flusstäler sind noch grün. Dort unten entlang zu trekken, ist bestimmt nicht einfach. 15 Minuten schweben wir bei wolkenlosem Himmel über Zanskar dahin. Im Hintergrund einige sehr hohe Berge des Himalaya, sie sind aber zu weit entfernt, um sie genau zu identifizieren. Dann sind die Berge alle verschwunden und eine bewölkte, dunstige Ebene zieht sich bis Delhi hin.

Auf dem Domestic Airport landen wir nach einer guten Stunde, holen unser Gepäck vom Band. Es ist sehr heiß in Delhi, schätzungsweise 40 Grad. In der Vorhalle stehen hunderte von Hotelangestellten, Schleppern und Taxifahrern, um „ihre“ Gäste abzuholen. Auch wir entziffern der Reihe nach alle hochgehaltenen Schilder, schließlich lese ich bei einem schnieke gekleideten jungen Mann „Mr. Techert“ und „Hotel Grand Godwin“. Ein Fahrer unseres Hotels ist da, um uns ins Zentrum Neu Delhis zu bringen, danke Lully für den Service. In der Arakashan Road im Ortsteil Pahar Ganj hatte unser Reiseleiter dieses hochsternige Hotel vorbestellt und musste dafür auch zwei Tage in Vorkasse gehen und das Geld in Manali von Antrek Tours überweisen lassen. In 45 Minuten sind wir durch das ungewohnte Verkehrschaos durch. Wir betreten ein nobel eingerichtetes Hotel mit guten sauberen Zimmern mit Klimaanlage und Propeller an der Decke, Fernsehen und Telefon, Dusche und WC. Dafür bezahlen wir 30 Euro pro Nacht inklusive Frühstück für beide. Der Taxipreis ist mit 500 Rp. auch ganz schön „nobel“.

Auf einem ersten Rundgang durch den Moloch Delhi suche ich einen professionellen Optiker auf, um mir neue Gläser in meine Brille machen zu lassen. Die Preise sind um etliches niedriger als in Deutschland. Die Straßen der mit 18,5 Millionen Einwohnern in der Agglomeration zweitgrößten Stadt Indiens sind von Menschen überfüllt. Fahrzeuge aller Art bewegen sich einander übertönend im scheinbar absoluten Chaos, aber alle Fahrer nehmen aufeinander Rücksicht. Es geht meist um Millimeter, aber alle haben sie ein ausgeprägtes Augenmaß für die Abstände zu den anderen Verkehrsteilnehmern, wie die sich zwischen den Fahrzeugen entlangschlängelnden Fußgänger, Arbeiter mit Sackkarren, auf denen sie riesige Lasten transportieren, Radfahrer, Fahrrad-Rikshas, Motorräder, Auto-Rikshas, PKW, Lastwagen, Busse aller Größen, von weißen Zebu-Buckelrindern gezogene Holzwagen mit hohen Lasten. Dazwischen einzelne Rinder, die in Indien heilig sind und die auch nicht verspeist werden. Die öffentlichen Verkehrsmittel wie Motor-Rikshas, Taxis und Busse sind alle auf Erdgasbetrieb umgestellt worden, was die Umweltverschmutzung durch Autoabgase erheblich abgesenkt hat.

Von einer Auto-Riksha lassen Mietzi und ich uns zum Roten Fort fahren. Am Eingang des Lahore Gate werden wir von Soldaten mit Maschinengewehren hinter Sandsackbarrikaden begrüßt, es werden an Sicherheitsschleusen Taschenkontrollen vorgenommen. Wir besichtigen die weitläufige parkähnliche Anlage der als UNESCO-Weltkulturerbe registrierten Festung, die vor ca. 500 Jahren von einem Großmogul erbaut wurde. Durch einen überdachten Basar gelangen wir ins Innere. Es gibt mehrere meist offene marmorne Paläste mit schönen Bogengängen zu besichtigen, ebenso ein Militärmuseum. In einem Restaurant nehmen wir eine Erfrischung, um der schweißtreibenden Hitze etwas zu entfliehen. In Delhi gibt es possierliche Streifenhörnchen, die auf und zwischen den Bäumen, sowie auf den chaotisch wirren Stromleitungen entlangspringen.

Ein Fahrrad-Rikshafahrer bietet uns eine Rundfahrt durch Alt Delhi an, nach kurzem Handeln steigen wir in sein Gefährt. Er strampelt mit uns durch den dicksten Autoverkehr auf der Hauptstraße, über den Rücken ein Handtuch, mit dem er sich öfter den Schweiß vom Gesicht wischt. Ab und zu wendet er sich zu uns, um uns die vielen Sehenswürdigkeiten zu erklären. Später biegen wir links in die schmalen dunklen Gassen der Altstadt von Chandni Chowk ab. Er fährt uns in einen Hof zu einem Jain-Tempel. Während er sich ausruhen kann, werden wir von einem Priester durch das Haus geführt, es ist das erste Mal, das wir einen Jain-Tempel besuchen und sehr interessant für uns. Man zahlt keinen Eintritt, wird aber um eine Spende für die heilige Stätte gebeten. Die Architektur mit ihren runden Deckenbögen erinnert uns an orientalische Bauten. Der Führer sagt uns aber, dass dieser Tempel ungefähr 1000 Jahre alt ist und den Jainismus gab es bereits ca. 500 Jahre vor Christus, während der Islam erst um 570 nach Christus entstand. Die moslemischen Baumeister hätten dann einiges von der Jain-Architektur in ihren Baustil übernommen.

Wir fahren weiter mit unserem Führer, er bringt uns zu einer breiteren geschäftigen Straße, auf der ausschließlich Einheimische unterwegs sind. Er stellt sein Fahrad gegen Gebühr ab, läuft los und wir haben zu tun, ihn in den Menschenmassen nicht zu verlieren. Immer wieder wartet er auf uns. Wir sind die einzigen Touristen hier. Er bringt uns zu einem großen Haus mit einem riesigen Innenhof, in dem sich ein Gewürzmarkt befindet. Wir erforschen alle Etagen mit ihren Säcken voller geheimnisvoller Gewürze und Gerüche. In der Abteilung mit den großen Säcken voller roter getrockneter Chillischoten laufen uns die Nasen und tränen die Augen. Wir laufen durch dunkle Gänge und über finstere Treppenstiegen, beobachten feiste Händler, die dicke Bündel Banknoten zählen und in ihre Bücher eintragen. Schließlich stehen wir auf dem Flachdach des Hauses, können in die belebten Straßenschluchten blicken, in denen die Inder ihre Geschäfte abwickeln, wo viele Handelswaren transportiert werden auf Sackkarren und Menschenrücken.

Wir erleben 18 Uhr den Sonnenuntergang über den Dächern und Türmen von Old Delhi. In der Dämmerung und später im Dunkeln radelt unser Fahrer geduldig auf der langen Straße zurück nach Neu Delhi zu unserem Hotel, eine leichte Steigung hinauf werden alle Rikshas geschoben. Der Vollmond und die Venus sehen milde auf uns herab, wie wir uns zwischen den meist unbeleuchteten Fahrzeugen vorwärts schieben. Einige Autos und Motorräder versuchen mit Dauerhupen, sich eine Gasse im Gewühl zu bilden. Wer die lauteste Hupe hat und am längsten drauf drückt, gewinnt das Rennen. Nur unsere gequälten Ohren sind die Verlierer. Wir geben dem erschöpften schweißgebadeden Fahrer 400 Rp. für die 3-stündige kraftaufwändige Stadtführung.
 



Zurück