28. 09. 2010  Kurz nach 8 Uhr. Wieder in kurzen Hosen und Teva-Sandalen beginnt für mich der zweite Trecktag. Kurz nach Dunai queren wir ans linke Ufer des Thuli Bheri River. Der Weg verläuft in südöstliche Richtung leicht bergan. In einem Schulhof nahe Byasgar ist die zweistündige Lunchpause, wir sitzen wie die Hühner auf der Stange. Unsere Küchencrew hat in einer verrauchten, 50 m entfernten Hütte Stellung bezogen und ist fleißig für uns am Kochen. Die einheimischen armselig gekleideten Kinder und Schüler streichen um uns herum, geben uns Blumen und bewerfen uns mit toten Hühnerteilen. Jana flickt einigen staunenden Knirpsen ihre zerrissene Kleidung.

Im engen Flusstal gibt es nur wenig Flächen zum Anbau von Getreide und Gemüse, an den Häusern sehen wir kleine Felder mit Chili, Tomaten und Mais. Die Wände ziehen sich steil hinauf links und rechts des ca. 1 m breiten, abenteuerlichen Weges, der auf der Sonnenseite in schwindelnder Höhe ausgesetzt über dem gewaltig strömenden Fluss durch die malerische Landschaft entlang führt. Ein Fehltritt würde hier den sicheren Tod bedeuten, alle müssen trittfest und schwindelfrei sein. An Engstellen und abgerutschten Hängen müssen wir uns konzentrieren. An einigen Passagen ist der Weg in die Felsen hineingehauen worden und  gut mit Steinen belegt und teilweise sind Treppenstufen errichtet. Eine Meisterleistung der einheimischen Wegebauer. Eine Passage ist neu, man sieht noch die alte Umgehung hoch oben in die Hänge verschwinden. Manche felsige oder Engstellen werden von den Maultieren und ihren Treibern am Steilhang umgangen.

Im wilden, ohrenbetäubend rauschenden, hellgrüngrauen Fluss liegen riesige Felsen, Baumstämme, Schwellen, Wasserfälle, das Wasser tost, strudelt und pilzt. In der Ferne sind jetzt bereits einige weiße Schneeberge zu sehen. Auf den Grashängen blühen vereinzelt rote und hellblaue Herbstblumen, stehen massenhaft die brutal auf der Haut brennenden nepalesischen Brennnesseln, die mit den Stacheln auch am Stängel und der Blattunter- und oberseite, und es wächst feinstes Marihuana in allen Größen hier. Steffen passt nicht auf, wird von einem Maultier in eine Brennnesselhecke geschubst, sein Arm schwillt an, er hat mehrere Tage heftige Schmerzen durch eine allergische Reaktion.

Halb vier erreicht uns der Schatten des Berghanges, es wird kühler. Wir erreichen unterhalb des Dorfes Tarakot (2537 m) unseren Campingplatz kurz nach der Brücke am rechten Ufer des Thuli Bheri River in Lingdo oder Tarabagar (2391m). Meist haben die Dörfer im Dolpo mehrere Namen, in nepalesisch, dann in der jeweiligen Stammessprache und in tibetisch. Ebenso weichen die Höhenangaben in den verschiedenen Dolpo-Karten mit denen auf Schildern vor Ort oder den von uns gemessenen GPS-Werten teilweise mehrere 100 m voneinander ab. Abends stellt sich heraus, dass der Rucksack von Ingo verschwunden ist. Er stellte seinen Rucksack für die Porter früh in Dunai an einen falschen Platz und so hat er heute Abend keinen Schlafsack. Er bekommt heute dafür meinen warmen. Mir reicht noch der leichte Sommerschlafsack. Sanga telefoniert lange herum, wir denken, dass unser Heimkehrer Stefan den Sack in seinem Gepäck hatte, und schließlich wird das fehlende Teil im letzten Camp in Dunai aufgetrieben, er stand früh noch einsam herum. Zwei Träger werden zurückgeschickt, den Rucksack zu holen. Er trifft am nächsten Tag beim überglücklichen Ingo ein. Reichliches Trinkgeld belohnt diese Aktion.

+ 530 / - 240 m in 7:45 Std. (3 Std. Pause)
 



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